Ein Jahr der Weichenstellungen
Gesamtverkehrskonzept, Ortsplanungsrevision, Bauprojekte: Stadtpräsident Wolfgang Giella im Interview
Drei Gossauer Grossprojekte befinden sich derzeit in unterschiedlichen Phasen der Umsetzung. Wo am ehesten bereits in diesem Jahr die Bagger auffahren und was er sich sonst noch von diesem Jahr erhofft, verrät Stadtpräsident Wolfgang Giella im Interview.
Wolfgang Giella, was wünscht sich ein Stadtpräsident beruflich fürs neue Jahr?
Dass wir die gesteckten Ziele erreichen. Für 2023 wünsche ich mir den erfolgreichen Abschluss des Gesamtverkehrskonzepts, Fortschritte beim Bauprojekt der Sana Fürstenland, den Start der Bauarbeiten bei den Sportanlagen und die Umsetzung der Velostrasse auf der Halden- und Lerchenstrasse. Ausserdem wollen wir die nächsten Schritte der Ortsplanungsrevision bewältigen und die Auflage für den Bushof und die Parlamentsvorlage für das Haus der Kultur durchbringen.
Und worauf freuen Sie sich persönlich besonders aus beruflicher Sicht?
Der persönliche Austausch mit der Bevölkerung an den Stadtapéros gefällt mir jedes Mal. Ich freue mich auch, die grossen Baufortschritte in der Sommerau zu sehen. Daneben bin ich auf einige Geschäfte sehr gespannt, so beispielsweise auf den Austausch zur Wilerstrasse, wo wir wegen der hohen Verkehrsbelastung eine Lösung für den Abschnitt zwischen Moosburg und Eichenkreisel benötigen. Auch auf das Massnahmenpaket der ASGO zur Entwicklung von Gossau-Ost bin ich sehr gespannt und selbstverständlich auf das Resultat des beauftragten Ingenieursbüros zum Gesamtverkehrskonzept. Bringt uns dieses einige Erkenntnisse, wie wir das steigende Verkehrsaufkommen im bestehenden Strassennetz auffangen können? Sehr freuen würde ich mich, könnten 2023 die Bagger für die Sportwelt auffahren.
Nach den Erfahrungen mit den Grossprojekten Alterszentrum und Bushof scheint das sehr optimistisch…
Bei der Sportwelt rechnen wir nicht mit solchen Verzögerungen. Im Auflageverfahren sind lediglich zwei Einsprachen eingegangen und die Vorlage ist sehr breit abgestützt.
Und wie geht es beim Alterszentrum weiter?
Wir hoffen sehr, dass noch in diesem Jahr ein Entscheid des Kantons vorliegt.
An der Post- und an der Stadtbühlstrasse wurden grössere Bauvorhaben sistiert, weil der Kanton die Sondernutzungspläne nicht genehmigen wollte. Ist die Stadt zu offensiv mit Sondernutzungsplänen umgegangen?
Nein. Wir haben in Gossau zwar aktuell in der Tat recht viele Sondernutzungspläne, aber wir bieten diese bei weitem nicht jedem an, der bauen will. Der Nachweis städtebaulicher Qualität muss vorhanden sein. Letztlich hängt es von der Risikobereitschaft der jeweiligen Investoren ab, ob sie einen Sondernutzungsplan verfolgen oder nach Regelbauweise bauen möchten.
Die Stadt ist aber als Hauptaktionär der Sana Fürstenland auch Investor mit einem Sondernutzungsplan…
Das Grundstück liegt in der Zone öffentlicher Bauten und Anlagen. Hier benötigt man einen Zweckmässigkeitsnachweis, um entsprechende Bauten erstellen zu können. Da die Parzelle mit dem geplanten Alterszentrum eine sehr hohe Ausnützung erfährt, hat sich die Sana Fürstenland damals freiwillig für einen Sondernutzungsplan entschieden, um die städtebauliche Qualität nachweisen und sichern zu können. Dies ist auch für die künftigen Bewohnerinnen und Bewohner der Sana Fürstenland sehr wichtig.
Voran geht es dafür beim Schulhausprojekt der Schulgemeinde Andwil-Arnegg. Ist Gossau dort blosser Rechnungsempfänger?
Überhaupt nicht. Als Baurechtsgeberin sind wir im sehr engen Austausch mit der Schulgemeinde Andwil-Arnegg, aber auch mit der politischen Gemeinde Andwil. Wir machen uns ebenfalls für ein neues Schulhaus stark. Arnegg musste 100 Jahre lang darauf warten und jetzt ist das richtige Zeitfenster dafür. Schliesslich wird Arnegg in den nächsten Jahren deutlich wachsen.
Und wie wird Gossau in 10 bis 15 Jahren aussehen?
Die Sana Fürstenland wird am geplanten Standort ein Alterszentrum betreiben, Modul 3 der Sportwelt wird hoffentlich umgesetzt und die Zusatzbelastung im Strassenverkehr wird von ÖV und Langsamverkehr bewältigt. Ausserdem glaube ich, dass die Bevölkerung nicht mehr vom «Dorf» sprechen wird. Denn wenn man Gossau mit Landgemeinden vergleicht, ist es doch jetzt schon sehr urban. Wobei ich selbst manchmal vom Dorf spreche (lacht).
Zum Schluss noch zu Ihnen persönlich: Sind Sie glücklich vor bald fünf Jahren nach Gossau gekommen zu sein?
Ja, ich bin sehr gerne hier. Die Aufgaben sind spannend. In Gossau herrscht eine gute politische Kultur. Man setzt sich mit den Sachverhalten auseinander. Und wenn man sieht, wie sich die Stadt in den letzten 20 Jahren entwickelt hat, so kann man feststellen, dass einiges gegangen ist.
Also werden Sie 2024 wieder zur Wahl antreten?
Ja.
Dann werden Sie auf die Unterstützung der FDP zählen können. Haben Sie viele Rückmeldungen zu Ihrem Parteibeitritt erhalten?
Aus der Bevölkerung eher wenig. Die Wahrnehmung meiner Person ändert sich deswegen kaum. Jene, die mich mochten, werden das weiterhin tun und jenen, denen ich nicht sympathisch bin, werde ich es auch jetzt nicht sein. Dass ich parteipolitisch mit dem Entscheid einige enttäuscht habe, ist mir klar. Das lässt sich aber nicht verhindern, wenn man sich zu einer Partei bekennt.
Interview von Tobias Baumann