Maria Pappa
wirbt für die Annahme der Nachträge zur Gemeindeordnung.
Die beiden Betriebe Altersheim Abendruh und Stiftung VitaTertia arbeiten seit längerer Zeit zusammen. Dies gilt nicht nur, aber insbesondere bei Fragen rund um das Thema «Demenz». Dass dieses bewegt, zeigt sich im grossen Besucheraufkommen beim Vortrag «Demenz – was nun?».
Demenz «Wir konnten dank dem Erweiterungsbau 2023 die Kapazität unserer Demenzstation auf 16 Plätze ausbauen. Und das sind nun schon wieder zu wenig Plätze», sagt Lars Sostizzo, Leiter des Altersheims Abendruh. Markus Christen, Direktor im VitaTertia, pflichtet bei: «Wir haben ebenfalls 16 Plätze auf der spezialisierten Wohngruppe. Und diese sind immer voll ausgelastet.» Die beiden Heimleiter sind sich einig, dass die aktuelle Zahl der Plätze in Gossau nicht ausreicht, da die Zahl der betroffenen Personen weiter steigt. «Aktuell geht man von 160'000 Personen aus, die in der Schweiz an Demenz erkrankt sind. Umgerechnet auf Gossau wären das über 300 Betroffene», rechnet Sostizzo vor. Christen ergänzt: «Und die Experten schätzen, dass es bis 2030 in der Schweiz über 300'000 Demenzkranke geben wird.» Klar ist, dass die Zahl der Betroffenen aufgrund der demographischen Entwicklung deutlich steigen wird. Für Christen und Sostizzo Grund genug, dass sich die Gesellschaft intensiv mit dieser Thematik befasst. Selbst haben sie das beide getan und sehr wohl auch positive Botschaften für Betroffene und deren Angehörige bereit.
«Die Lebensqualität von Erkrankten ist positiv, wenn sie gut betreut sind», erklärt Sostizzo. Gerade in fortgeschrittenem Stadium seien die Personen nicht leidend, sondern glücklich, wenn man Frustrationen verhindere. «Das Umfeld muss es vermeiden, Personen mit Demenz an Grenzen zu bringen, sie beispielsweise mit Fragen immer wieder daran zu erinnern, was sie nicht mehr wissen», erklärt Sostizzo. «Wie viele Personen kamen dich besuchen?» oder «Was habt ihr gegessen?»: Solche Fragen führten zu Frust bei den Betroffenen, weil sie keine Antwort wüssten. Vielmehr solle man den Erkrankten auf Augenhöhe begegnen und ihnen Wertschätzung entgegenbringen. Dann fühlten sie sich wohl. «Die Betroffenen sollen Spass haben. Dazu müssen sie nicht wissen, wo ihr Zimmer ist. Dafür haben sie uns», sagt Sostizzo. Christen gibt ein Beispiel: «Betroffene verstehen sehr wohl einen Witz. Nur darf man nicht erwarten, dass sie sich später an den Witz erinnern.» Personen mit Demenz könnten beispielsweise auch ironische oder sarkastische Bemerkungen machen.
Auch ihr Erinnerungsvermögen ist nicht komplett weg. «Wenn du ein Fussballspiel mit einer an Demenz erkrankten Person schaust, weiss sie das nach zehn Minuten nicht mehr. Aber aus ihrer eigenen Zeit als E-Junior kann sie dir immer noch Details aufzählen», erklärt Christen. Die geschulten Aktivierungsfachleute würden entsprechend bei biografischen Interessengebieten ansetzen, um den Betroffenen Inputs zu liefern. Solche sind nötig, weil Personen mit Demenz von sich aus kaum aktiv werden, wie Sostizzo erklärt: «Personen mit Demenz können stundenlang auf einer Bank sitzen, ohne etwas zu tun. Sie äussern selbst wenig Bedürfnisse.» Doch so bleibe auch die Lebensfreude auf der Strecke, die sie bei richtiger Betreuung sehr wohl empfinden könnten.
Eine weitere Eigenschaft der Demenzerkrankung ist die fehlende Krankheitseinsicht, berichtet Sostizzo: «Aus ihrer Sicht liegt der Fehler bei allen anderen.» Das mache es gerade für Angehörige sehr schwierig. Betroffene sähen meist keinen Grund, um in ein Heim zu ziehen. Sie hielten sich oft für selbstständig, selbst wenn sie sich nicht einmal mehr selbst anziehen könnten. Umso wichtiger sei es für Angehörige, sich Hilfe zu holen. «Erst einmal ist die Pro Senectute eine sehr gute Anlaufstelle», sagt Christen. Und Sostizzo ergänzt: «Auch eine Selbsthilfegruppe zum Austausch mit anderen Angehörigen von Demenzerkrankten kann helfen.» Wichtig seien auch Pausen für die Angehörigen. In der Abendruh hat Sostizzo mit «Fortis» ein Angebot ins Leben gerufen, das Betroffenen eine individuelle Tagesstruktur bietet, so dass betreuende Angehörige Entlastung erfahren. Auch im VitaTertia werden Personen mit Demenz tageweise betreut.
Dass das Thema «Demenz» bewegt, zeigte sich am Donnerstag bei der Auftaktveranstaltung der Vortragsreihe VitaTertia-Zyklus. Diese widmet sich in diesem Frühjahr dem Thema Demenz. Miranda Wild von «Alzheimer St.Gallen/beider Appenzell» gab einen Überblick über die wichtigsten Aspekte rund um das Thema Demenz. Deutlich über 100 Personen besuchten die Veranstaltung. Am Donnerstag, 8. Mai, berichtet Christina De Biasio Marinello über Demenzerkrankungen in jüngeren Jahren, die berufliche Situation und finanzielle Aspekte. Am Donnerstag, 22. Mai, wird die dreiteilige Reihe mit einer szenischen Lesung aus Arno Geigers Erfolgsbuch «Der alte König in seinem Exil» abgeschlossen.
Die Finanzierung der Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz ist gemäss den beiden Heimleitern ein heikles Thema. «Die Krankenkassen stellen sich auf den Standpunkt, dass sie nur Pflege, nicht aber Betreuung bezahlen. Betreuung macht jedoch rund drei Viertel der Arbeit mit Betroffenen aus», erklärt Christen. Diese werde so nicht ausreichend finanziert. Zudem werde es in Zukunft viel zu wenig Plätze für die Betroffenen wie auch für die Beteiligten geben. Dies weil die Rahmenbedingungen so schlecht gestaltet sind und die Wertschätzung teilweise fehle. «Doch für uns ist die Betreuung eine Herzensangelegenheit», stellen die beiden Heimleiter unisono fest.
Von Tobias Baumann
Lade Fotos..