Ursula Forrer
feierte mit der Stiftung Zeitvorsorge das 10-Jahres-Jubiläum.
Die mächtigen Löwen und Tiger gehören genauso zum Revier von Armin Leuenberger wie die winzigen Kurzohrrüsselspringer. Der Tierpfleger begann 2009 im Walter Zoo seine Lehre, ist seinem Arbeitgeber immer treu geblieben und heute als Revierleiter tätig.
Walter Zoo «Atlas, Lin, Jumina, Amera, chömet inä», ruft Armin Leuenberger, Revierleiter Raub- und Huftiere, «seine» Löwen herein, wie man das sonst von Eltern mit Kindern kennt. Als erster kommt Atlas um die Ecke. Auch wenn uns ein Gitter trennt, steigt der Puls in die Höhe, als das mächtige Männchen mit seiner beeindruckenden Mähne und seinen stechenden gelb-grünen Augen nur mehr einen Meter vor uns steht. Im Löwenhaus angekommen, brüllt Atlas in einer Art und Weise, dass ich Gänsehaut kriege. «Er brüllt gerne drinnen, weil es dann noch lauter ist und er sich grösser fühlt. Dies macht er besonders ausgeprägt, wenn fremde Personen dabei sind, um zu zeigen, dass es sich um sein Revier handelt», erzählt Leuenberger. Früher habe es ihm auch immer die Härchen aufgestellt, wenn Atlas brüllte, doch das habe sich inzwischen gelegt. Leuenberger arbeitet mit den Löwen, seit diese 2018 nach rund zehnjähriger Absenz und dem Bau der neuen Anlage im Walter Zoo wieder eine Heimat fanden. Wenig später kommen kurz hintereinander auch die drei Löwinnen ins Haus, wobei Leuenberger mit Schiebern die Tiere in unterschiedliche Räume trennt und Lin zum medizinischen Training bittet. Dieses dient auch der Beschäftigung, in erster Linie aber zur Kontrolle und wenn nötig für die medizinische Versorgung. Wenn die Tiere mitmachen, können Untersuchungen gemacht und Impfungen und Medikamente ohne Narkose verabreicht werden. Deshalb trainieren Leuenberger und seine Kollegin drei bis fünf Mal pro Woche mit den Löwen.
Mit seiner Pfeife und Fleischstücken sorgt der Revierleiter für eine positive Konditionierung. «Bei Löwen handelt es sich um Katzen. Wenn sie nicht wollen, kann man nichts erzwingen. Das Training erfolgt ohne Druck und Stress», erzählt Leuenberger. Der Leiter hält, wie die sechs Festangestellten und die beiden Springer, die in seinem Revier mitarbeiten, stets einen Sicherheitsabstand ein. Wenn sie die Anlage für Reinigungszwecke oder zur Futterverteilung betreten, erfolgt dies erst nach einer dreifachen Kontrolle. Beim Abstand geht es nicht nur um die Sicherheit, sondern auch um eine gewisse Distanz, die sie zu den Tieren wahren wollen, sagt Leuenberger. Dies helfe auch, wenn ein Tier sterbe oder in einen anderen Zoo versetzt wird, wie dies bei Amera demnächst der Fall ist, die im Walter Zoo geboren wurde. «Darauf haben wir als Walter Zoo keinen Einfluss. Das europäische Zuchtbuch gibt vor, welche Tiere miteinander verpaart werden sollen», erklärt Thomas Harder, Leiter Marketing und Mitglied der Geschäftsleitung. Der Walter Zoo ist an über 20 Erhaltungszuchtprogrammen beteiligt. Diese sollen das Überleben gefährdeter Tierarten zumindest ausserhalb des ursprünglichen Verbreitungsgebiets sicherstellen. Um zu verhindern, dass gewisse Tiere unerwünscht Nachwuchs bekommen, erhalten sie ein Hormonimplantat. Dieses wird ihnen im Walter Zoo unter Narkose in ihrer Anlage eingesetzt.
Keine Geburtensteuerung von aussen ist bei den Erdmännchen nötig, die im Savannenhaus leben und damit ebenfalls zu Leuenbergers Revier gehören. «Nur das Alphaweibchen und das Alphamännchen paaren sich», berichtet der Revierleiter, der von den 21 Erdmännchen erwartet wird, als er die Türe zum Gehege aufschliesst. «Sie hören die Tür, kennen meine Stimme und wissen, dass es etwas zu fressen gibt», erklärt Leuenberger die wartenden Tiere. Diese werden unter anderem mit Heuschrecken, Mehlwürmern und Schwarzkäferlarven gefüttert. In einem nicht öffentlichen Nebenraum hat Leuenberger die Mehrwürmer aus einer Kiste geholt. Ein Gestell höher stehen drei Terrarien mit je 75 Heuschrecken. Zweimal pro Woche erhalten die Erdmännchen eine solche «Portion». Mit den Insekten werden unter anderem auch die Fenneks und die Kurzohrrüsselspringer gefüttert. Die mausähnlichen Säugetiere mit rüsselartiger Schnauze werden im Raum, in dem auch die Nahrung fürs Savannenhaus vorbereitet wird, in mehreren Terrarien gezüchtet. «Es ist nicht ganz einfach und man muss die Tiere gut beobachten. Einmal hat ein Männchen ein Weibchen tödlich verletzt», berichtet Leuenberger. Tiere richtig lesen zu können, sei eine der Schlüsseleigenschaften für gute Tierpfleger, sagt Harder. Wer das nicht beherrsche, könne in diesem Beruf nicht erfolgreich arbeiten.
Dem 31-jährigen Leuenberger gelingt dies offenbar sehr gut, arbeitet er doch seit 2009 im Walter Zoo. Vor 15 Jahren begann der im Zürcher Oberland auf einem Bauernhof Aufgewachsene in Gossau seine Lehre. Zu seinen Hauptaufgaben zählen Reinigungsarbeiten, Fütterung und Beschäftigung der Tiere, aber auch die Anlagegestaltung. «Wenn es etwas kaputt geht oder weiterentwickelt werden soll, machen die Tierpfleger sehr vieles selbst», berichtet Harder. Handwerkliches Geschick sei sicher von Vorteil, bestätigt der Angesprochene. Er schätze die Abwechslung und dass er immer in der Natur sei. Während der Arbeit lernte Leuenberger auch seine heutige Frau kennen, die ebenfalls Tierpflegerin ist, aber in einem anderen Revier des Zoos wirkt. Doch lieber als über sich selbst spricht Leuenberger über die Tiere in seinem Revier, zu denen auch die Zebras, Kamele, Ponys, Esel, Vikunjas und Zwerggeissen gehören. Letzteren legt Leuenberger nun einen Ast mit frischen Blättern hin und freut sich über die Entwicklungsschritte des neuen Bocks. Dieser sorgt nun für Nachwuchs, nachdem sein Vorgänger ins Alter gekommen ist.
Von Tobias Baumann
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