Cécile Koch
Hilft Kindern und Jugendlichen aus Alkoholiker-Haushalten.
Die Schweizer gehören nach Umfragen immer wieder zu den glücklichsten Menschen der Welt. Nur in einigen skandinavischen Ländern ist es subjektiv erlebt noch schöner. Alles gut also? Nicht ganz. Viele Berufstätige plagen Zukunfts- und Existenzängste, wenn sie in die Zukunft blicken. Es liegt vieles im Ungewissen, was die Jobs der Zukunft angeht.
Arbeitssystem Professor Markus Grutsch von der FHS beschäftigt sich unter anderem auch mit dem betrieblichen Gesundheitsmanagement. Seine Sorge unter anderem: Die Menschen werden bei der Digitalisierung nicht mitgenommen.
Jaja, die Arbeit. Für manche Lebenssinn, für den anderen ein ökonomischer Zwang zum Überleben. Also ist die Arbeit – Ansichtssache. Grutsch erstellt auch Arbeitssituationsanalysen für Arbeitgeber. Diese fokussiert auf vier Bereiche: Arbeitsinhalt, Zusammenarbeit, Arbeitsraum und -zeit und Prozesse. Damit soll unter anderem die Verbesserung der Arbeitssituation und –atmosphäre und der Zusammenarbeit gefördert werden. Die Involvierung der Direktbetroffenen ist dabei wichtig. Im Endeffekt wird die Stärkung der Kommunikation sowie des Teamgefühls forciert. Die berühmte «Work-life-balance» ist heute ein vermeintliches Zauberwort.
Doch die Erwartungshaltungen kollidieren oft. Während man auf der Seite der Arbeitgeber am liebsten eine dauernde Erreichbarkeit hätte, wollen die Arbeitnehmer oft eine klare Trennung der Arbeits- und Freizeit. Die Globalisierung spielt auch hier eine Rolle. Wer beruflich mit Amerika und Asien zu tun hat, muss sich zeitlich entsprechend anpassen. Es gibt immer mehr projektbezogene Arbeit, die etwa wochenlange Dauereinsätze verlangen.
Der Nachwuchs wird in einigen Bereichen rar. Ingenieure werden in der Schweiz händeringend gesucht und in der Pflege schrillen längst die Alarmglocken. Der im September 2016 veröffentlichte Versorgungsbericht der Gesundheitskonferenz zeigt: Der Bedarf an Pflegepersonal soll in den nächsten neun Jahren um 40'000 Personen zeigen wird. Heute arbeiten etwa 178' 000 Menschen im Pflegebereich, 2025 werden fast 218'000 gebraucht. Besonders die Spitex hat laut dem Bericht einen hohen Bedarf nach Zuwachs. «Hier muss man Anreizsysteme schaffen und das Berufsbild attraktiver gestalten», meint Grutsch. Die Arbeit sei für viele Menschen auch Identität. «Ich arbeite, also bin ich», könnte man fast sagen. «Es gibt allerdings auch Menschen, die ganz bewusst keine Verantwortung suchen und auch in einer repetitiven Arbeit glücklich sind. Ihnen sind Arbeitsplatzsicherheit und Kontinuität wichtig.» Wie viele Stunden würde Grutsch in der Woche arbeiten, wenn er selber wählen könnte? «Schon auch ein bisschen weniger», lacht er. «Unsere Arbeitswelt ist auch weit weg von unserem Bio-Rhythmus. Der Mensch kann sich nicht länger als 45 Minuten am Stück konzentrieren. Deshalb sind übrigens auch die Schulstunden danach gerichtet. Wer länger als acht Stunden am Tag arbeitet, macht sich eigentlich keinen Gefallen. Auch die Fehleranfälligkeit wird massiv erhöht». Deshalb sind Argumente für den Zwölf-Stunden-Arbeitstag nur schwer zu finden.
Es gibt Experten, die sehen die Digitalisierung als grosse Chance, Grutsch ist pessimistischer. «Die Leute müssen mitgenommen werden. Die Angst ist bei vielen gross. Es geht vielen zu schnell.» Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, das nur ungern aus den vertrauten Bahnen ausbricht. Generell seien schlechte Abläufe, schlechtes Zeitmanagement, das Betriebsklima natürlich auch die Entlöhnung hinderliche Punkte für Mitarbeiter.
Und wie sieht der ideale Vorgesetzte der Zukunft aus? «Es ist der dienende Chef. Er organisiert die Rahmenbedingungen. Eine ganz neue Rolle, die klassischen Hierarchien sind nicht mehr zeitgemäss. Die Mitarbeiter sollen mehr Freiheit, aber auch mehr Verantwortung übernehmen», so Grutsch. Und der Kapitalismus? «Hält sich noch länger, als viele glauben. Mindestens 100 Jahre.» Was den «Post-Kapitalismus» betrifft, sind händeringend Visionen gesucht, denn ewig kann man dieses System nicht mehr aufrechterhalten. «Da ist noch kein Durchbruch erkennbar», erläutert Grutsch. Wer also hat die bahnbrechende, gerechtigkeitsstiftende Idee?
Von René Alder
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