Der Wert der Vielfalt auch in der Sexualität
Im neuesten Bericht geht die Leiterin der Fachstelle für Aids- und Sexualfragen (AHSGA) in St.Gallen auf den Wert der Vielfalt auch im menschlichen Bereich ein. Es sei falsch, unterschiedliche sexuelle Orientierungen und Geschlechtsidentitäten zu bekämpfen.
Speziell geht Myshelle Baeriswyl auf die Sexualpädagogik ein, die unter Beschuss geraten ist, in der Schweiz speziell in Zusammenhang mit dem Lehrplan 21. Selbst vor anonymen Morddrohungen gegen Fachpersonen schreckten Gegner nicht zurück. Die Pluralisierung von Lebenslagen und Lebensstilen sei aber ein Strukturmerkmal moderner Gesellschaften. Arbeitsteilung, Migration, Verkehr, Medien sowie verschiedene soziale Beziehungs- und Lebensbereiche hätten zu einer Diversifizierung aller Beziehungs- und Lebensbereiche geführt. Vielfalt sei eine gesellschaftliche Realität. Die Sexualpädagogik müsse sich mit dieser Pluralität auseinandersetzen. Vielfalt existiere bereits in den Erfahrungen und Überzeugungen von Heranwachsenden und müsse ihnen nicht erst nahe gebracht, sehr wohl aber pädagogisch begleitet werden.
Die Folgerung von Myshelle Baeriswyl: „Eine sexualpädagogische Praxis, die menschliche Vielfalt achtet und beachtet, darf deshalb nicht Gegensätze von normal versus abnormal, positiv versus negativ, richtig versus falsch, natürlich versus unnatürlich zementieren, sondern sollte diese Wertungen thematisieren und die dahinter stehenden gesellschaftlichen Normen reflektieren. Auch die möglicherweise damit einhergehenden Ängste und Unsicherheiten. Sexualpädagogik muss die gelebte sexuelle Vielfalt respektieren."
Ganzheitliche Gesundheitsförderung
Für Myshelle Baeriswyl ist Sexualpädagogik somit weit mehr als biologische Aufklärung. Sexualpädagogisch arbeiten gehöre zur ganzheitlichen Gesundheitsförderung: „Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sollen in der Entwicklung ihrer Sexualität altersgerecht, einfühlsam und kompetent begleitet und ihre lebendige Vielfalt gefördert werden. Ziel ist es, dass „sie ihre Sexualität verantwortungsvoll, gesund, selbstbestimmt, lustvoll und sinnlich entfalten und Leben können (Regierungsrätin Heidi Hanselmann, 2006) – und das gilt für alle Menschen, unabhängig von Religion, Hautfarbe, Rasse, Schicht, sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität."
Neutraler Zugang zur Klasse
Simone Dos Santos, zuständig innerhalb der (AHSGA) für die Prävention und Sexualberatung, berichtet davon, dass sie in Lehrerzimmern immer wieder interessante Diskussionen hatte. An den Jugendlichen sei aber die öffentliche Auseinandersetzung weitgehend unbemerkt vorbeigezogen. Die Jugendlichen schätzten die AHSGA-Einsätze als Ergänzung zu dem, was sie in der Schule schon an Wissen vermittelt bekämen. Die Gespräche über sexuelle Gesundheit, Eigenverantwortung in der Sexualität und Körpergefühl seien immer wieder anders. Vor allem junge Frauen seien daran interessiert, sich auch emotional damit auseinanderzusetzen. Für Roberto Giacomin, ebenfalls im Bereich Prävention und Sexualberatung bei der AHSGA tätig, liegt der Vorteil der Sexualpädagoginnen und -pädagogen darin, neben der spezifischen Fachkompetenz, vor allem im neutralen Zugang zur Klasse. Dies ermögliche freiere Gespräche über intime Fragen.
Basiswissen zur Homosexualität
Im Rahmen des AHSGA-Projekt Comout besuchen Schule und lesbische Personen eine Schulklasse und vermitteln Basiswissen zu den Themen Homosexualität und Coming-Out. Die homosexuellen Personen berichten aus ihrem Leben sowie über ihre persönlichen Erfahrungen. Ein Ziel des Projekts ist auch der Abbau von Vorurteilen und Berührungsängsten gegenüber Homosexualität. Wie ein Bericht im neuen Jahresbericht aufzeigt, kommt Comout bei den Schülerinnen und Schülern sehr gut an. Sie schätzen es, Dinge zu erfahren, die sie im normalen Unterricht nicht lernen.
Im letzten Jahr erreichte die AHSGA mit 186 sexualpädagogischen Einsätzen insgesamt 2590 Schülerinnen und Schüler, Lehrlinge, Eltern und Lehrpersonen. Dazu kommen fachliche und individuelle Beratungen.
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